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Messedirektor Jörgen Golz im Interview

jörgen gölz

Der Kunstmarkt verändert sich stetig und auch in der internationalen Kunstmesse-Landschaft ist derzeit einiges los. Wir sprachen mit Messedirektor Jörgen Golz über die Herausforderungen des Wandels, wie die Discovery Art Fair auf aktuelle Entwicklungen reagiert und worauf wir uns bei der diesjährigen Kölner Kunstmesse freuen dürfen.
Herr Golz, lassen Sie uns über die Veränderungen des Kunstmarkts und den anhaltenden Kunstmarktboom reden.

Ihre erste Entdeckermesse startete vor 15 Jahren, Sie sind also seit Jahren hautnah dabei. Wie tickt der heutige Markt? Sehen Sie generelle Trends?

Der Trend zur Individualisierung hält weiter an und damit bleibt auch die Nachfrage nach zeitgenössischer Kunst auf einem hohen Niveau. Denn womit kann man seine persönliche Einzigartigkeit besser unterstreichen, als mit einem künstlerischen Unikat?

Ich sehe auch weiterhin eine Emanzipierung des Käufers. Selbstverständlich gibt es auch die Interessentengruppen, die auf bewährte Positionen setzen, aber speziell junge Käufer vertrauen ihrem eigenen Urteil und kaufen unabhängig von Marktströmungen die Werke, die ihnen gefallen und mit denen sie sich tagtäglich umgeben möchten.

Malerei und Skulptur bleiben die gefragtesten Kunstgattungen, das spiegelt sich auch im Angebot unserer Messe wieder. Aber auch der Verkauf von Fotografie und Editionen, von Werken die sich auf Grund ihrer meist moderaten Preise gut für Kunst-Einsteiger eignen, läuft sehr gut. Als Kunstrichtung endgültig etabliert haben sich Street- und Urban Art, die nicht nur beim jungen Publikum stark nachgefragt werden. Experimentelles wie Videokunst, Installationen oder kinetische Objekte haben es auf dem breiten Markt nach wie vor schwerer, obwohl man hier auch zahlreiche spannende Arbeiten entdecken kann.

Generell sehe ich aktuell einen Wachstumstrend: In unserer verrückten Welt kann Kunst ein bisschen Trost und Orientierung geben. Bei den existenziellen Fragen nach unserem Dasein und dem „Warum“, sehe ich neben der Kunst aktuell nichts, das ernsthafte Antworten geben kann. Ergo gehe ich weiterhin von einem großen Interesse an zeitgenössischen Arbeiten aus.

Und wie sieht es derzeit in der Kunstmesse-Landschaft aus?

Wir sehen auf der einen Seite gewisse Irritationen bei den großen Messegesellschaften wie MCH Group aus Basel, die in Düsseldorf eingestiegen und wieder ausgestiegen ist oder der Kölnmesse, die die Berliner ABC übernommen hat und sich in diesem Jahr mit der Art Cologne verkleinern musste. Aber auf der anderen Seite entstehen immer weitere lokale Kunstmessen, die durchaus erfolgreich sind. Es ist kein einheitliches Bild; das betrifft auch uns selbst: Während wir mit unsere Berliner Messe nicht nur im letzten Jahr, sondern auch in diesem Jahr aussetzen, wachsen unsere Messen in Köln und Frankfurt.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wie wird sich, Ihrer Meinung nach, die Messe-Landschaft in den kommenden Jahren verändern?

Vor einigen Monaten wäre ich noch von einer Entwicklung des Messemarktes in Richtung eines Oligopols ausgegangen, aber bei den aktuellen Entwicklungen bezüglich der großen Player und der Vielzahl von lokal erfolgreichen, kleineren Messen, muss man wohl eher davon ausgehen, dass die Vielfalt weiter bestehen wird, was ich sehr begrüße.

Die persönliche Begegnung zwischen Kunstliebhabern und Kunstproduzenten ist durch nichts zu ersetzen, aber sie wird von den digitalen Medien flankiert. Es wird sich dahingehend entwickeln, dass die Messe der Nukleus ist, um den sich weitere Aktivitäten und Angebote gruppieren.

Gibt es denn Entwicklungen, die Sie beunruhigen?

Wie sich die Eintrübung der Konjunkturprognosen auf unseren frischen, jungen Entdeckermarkt auswirkt, bleibt abzuwarten. Generell beunruhigen mich aber nicht die aktuellen Entwicklungen auf dem Kunstmarkt. Was mir Sorgen bereitet, ist der Zustand unserer Welt; sowohl physisch, als auch ethisch. Längst überwunden geglaubte Ressentiments und Weltanschauungen erleben eine böse Renaissance. Die Kirche wird von Missbrauchsfällen erschüttert und unsere politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorbilder nehmen ihre eigenen Regeln nicht ernst und bringen ihr Vermögen in Panama in Sicherheit oder betrügen mit Cum-Ex Papieren. Das ist sehr beunruhigend. In Zeiten, wo weltweit geschlossenes Agieren gegen die Herausforderungen von Klimaveränderung und Ressourcenverschwendung nötig wäre, verfallen viele Staaten wieder in Hegemonialbestrebungen und „Der Andere“ wird zum Feind hochstilisiert, um von dem eigenen Versagen abzulenken.

Um wieviel fortschrittlicher ist da die internationale Kunstwelt. Wir setzen auf Austausch und Kooperation. Für uns ist das Fremde nicht feindlich, sondern Inspiration und die Möglichkeit, etwas dazu zu lernen, um die Grenzen des eigenen Kosmos zu erweitern.

Lange Zeit hat das klassische Galerien-Modell den Kunstmarkt bestimmt. Hat sich dies in den letzten Jahren gewandelt?

Ja, es werden aktuell neue Wege der Vermarktung ausprobiert. Das klassische Galerien-Modell hat immer noch seine Berechtigung, aber es hat Gesellschaft bekommen. Das liegt zum einen an der technischen Entwicklung und zum anderen an der Veränderung der Kunstwelt. Durch Social Media ist es nahezu jedem möglich, kostengünstig weltweit zu funken. Das hat den Markt gewandelt: Zunächst aufgrund der erweiterten technischen Möglichkeiten und damit einhergehend durch die nahezu vollkommene Markttransparenz. Atelieradressen sind leicht recherchierbar, Preise auch. Das hat den Kunstmarkt bereits verändert und verändert ihn weiterhin.

Was sich auch verändert hat: Das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Künstler. Mit einem gestiegenen Marketing Know-How und den neuen technischen Möglichkeiten nehmen viele Künstler ihre Vermarktung in die eigenen Hände. In dem Spannungsfeld zwischen Selbstvermarktung und klassischem Galeriemodell finden wir jetzt die unterschiedlichsten Organisationsformen: Pop-Up Galerien, temporäre Galerien, Projekträume, Kunstvermittler, Kunstagenten, etc.

Die klassischen Galerien arbeiten unter großem Druck: Nicht nur dass 2014 der Mehrwertsteuersatz von sieben auf 19 Prozent erhöht wurde, zudem werden die Immobilienpreise im Innenstadtbereich immer unerschwinglicher. Viele Galerien müssen ihre Standorte aufgeben und verlagern ihre Aktivitäten in den virtuellen Raum. Umso mehr gewinnen aber Kunstmessen an Bedeutung, denn trotz aller neuen Medien, ist der persönliche, zwischenmenschliche Kontakt durch nichts zu ersetzen. Und außerdem bieten Messen die einmalige Gelegenheit, das jeweilige Galerieprogramm einem Neuen, wesentlich breiteren Publikum zu präsentieren.

Wann ist aus Ihrer Sicht eine Kunstmesse erfolgreich?

Wenn sie den Ausstellern genügend Umsatz gebracht und auf den Kunstmarkt wie ein positiver Katalysator gewirkt hat. Es geht ja nicht nur um das Erreichen von neuen Zielgruppen und die reinen Verkäufe auf der Messe, sondern auch um Vernetzung, Austausch, Information, Geschäftsanbahnung, die Schaffung von neuen Möglichkeiten und die Generierung neuer Ideen.

Wir streben auch eine gewisse gesellschaftliche Relevanz an, die ich als erreicht betrachte, wenn mehr als 20.000 Menschen unsere aktuell zwei Messen in Deutschland besucht haben.

Neben den Faktoren Besucherzahlen, Medieninteresse und Umsatz, die wir sofort nach Messeende erfassen können, lassen sich viele Auswirkungen erst später, zum Teil erst Jahre später beurteilen: Wie liefen die Aftersales? Welche Kontakte wurden auf der Messe generiert? Zu welchen Verkäufen, Kooperationen oder Projekten haben diese geführt? Welche Impulse wurden durch die Messe in die Politik gesendet? Hat der Besuch der Messe zu einem nachhaltigen Interesse an zeitgenössischer Kunst geführt? Zu mehr Atelier- oder Galeriebesuchen? Alles Faktoren, die für den Erfolg einer Messe wichtig sind. Leider entziehen sich viele dieser Faktoren unserer Kenntnis, deswegen sind wir sehr dankbar, wenn wir von unseren Ausstellern und Besuchern im Nachhinein erfahren, welche Auswirkungen sich bei ihnen durch die Messeteilnahme oder den Messebesuch ergeben haben.

Ihre Kölner Messe heißt jetzt Discovery Art Fair. Wie und warum kam es zur Umbenennung?

Nachdem ich bei der Übergabe meine Visitenkarte mal wieder gefragt wurde: „Liste – aha, ist ja interessant. Sind Sie eine neue politische Partei?“, war die Entscheidung gefallen: Es musste ein neuer Name her! So ist der Name „Discovery Art Fair“ als Dachmarke entstanden, die die verschiedenen Austragungsorte unter sich vereint. Und damit ist auch eine viel einfachere Struktur entstanden, die uns unsere tägliche Kommunikationsarbeit deutlich vereinfacht. Außerdem versteht jeder, was eine Discovery Art Fair ist. Und was drauf steht, ist auch drin! Wir sind sehr froh über unsere neue Bezeichnung und sind selbst gespannt, welche weiteren Standorte sich unter diesem Markendach einfinden werden.

Was macht die Discovery Art Fair anders als andere Kunstmessen?

Anders als sonst in der Branche üblich, betreiben Messeleitung und Kuratoren keine eigenen Galerien, sind bei der Auswahl der Aussteller also keinen anderen wirtschaftlichen Interessen verpflichtet, als denen der Messe. Wir sind unabhängig von den Pfaden des Kunstmarktes auf unseren eigenen Wegen unterwegs, um Neuentdeckungen zu machen.

Wir zeigen, ganz offiziell, Künstler, Projekträume und Galerien gleichberechtigt nebeneinander. Und vor allem sind wir, wie der Name schon sagt, eine Entdeckermesse. Selbstverständlich haben auch wir wiederkehrende Aussteller, aber wir sorgen auf jeder Messe für einen großen Anteil an neuen, frischen Positionen. Dass jahrelang derselbe Aussteller mit demselben Programm an derselben Stellen zu finden ist, gibt es bei uns nicht.

Und als Entdeckermesse führen wir keine Bluechips und keine klassische Moderne. Nur aktuell noch arbeitende Zeitgenossen. Das ist eine ganz klare, bewusste Positionierung und ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal.

Was kann eine Kunstmesse wie die Ihre tun, um Galeristen und Künstler zu unterstützen?

Wir verstehen uns als Partner unserer Aussteller. Das fängt damit an, dass wir einen klaren und fairen Deal anbieten. Unsere Preise sind transparent und es gibt keine versteckten Kosten. Nur wenn wir eine Win-Win-Situation für beide Seiten herstellen, handelt es sich um ein erfolgreiches Geschäftsmodell.

Zudem bieten wir ein breites Spektrum von Know-How-Transfer und Beratungsleistungen an: Das beginnt damit, dass wir Ausstellern, denen wir keine Verkaufschancen im Rahmen unserer Messe prognostizieren, von einer Teilnahme abraten. Weiter geht es mit Vertragsvorlagen, juristischen Beratungen, Preisberatungen oder der Beratung bei der Hängung, die wir kostenfrei anbieten. Zusätzlich bieten wir jedem interessierten Teilnehmer ein kostenloses Coaching im Rahmen der Messe an. Die Künstlerin und Psychologin Alina Gause und unser Kurator Dr. Peter Funken beleuchten die Funktionsweisen des Kunstmarktes und helfen, sich der eigenen Rolle in diesem System bewusst zu werden.

Aber das wichtigste von allem: Wir bieten eine erfolgreiche Verkaufsplattform, die ihren Beitrag zum finanziellen Überleben der Künstler und Galeristen beiträgt.

Bei der Publikumsansprache versuchen Sie, insbesondere auch für Kunst-Neulinge die Hemmschwellen und die Berührungsängste gegenüber zeitgenössischer Kunst abzubauen. Wie gelingt Ihnen dies?

Unsere Kommunikation ist klar, ehrlich und nicht elitär. Diesen Anspruch erfüllen sowohl unser Messeteam als auch unsere Aussteller vor allem auch auf den Messen. Ob Kunstkenner oder Neuling, wir alle stehen jedem gerne für ein Gespräch zur Verfügung. Und die ehrlichsten Botschafter der Kunst sind die Künstler selbst: Fernab von Marketing-Worthülsen geben sie aufrichtig Auskunft über ihre Arbeiten. Das macht die Kunst greifbarer und hilft definitiv, Barrieren abzubauen.

Wer sich persönlich mit unseren Kuratoren treffen möchte: Alle Kuratoren bieten kostenfreie Führungen über die Messe an, in denen sie spannende künstlerische Positionen vorstellen und Fragen beantworten. Diese empfehlenswerten Messerundgänge sind sehr persönlich und frei von akademischen Belehrungen.

Neue Zielgruppen erreichen wir natürlich auch, in dem wir ein hohes Budget in Kommunikation und Marketing investieren und uns über die große Unterstützung von vielen PR-Partnern freuen dürfen. Wir funken auf den Kanälen und den Medien, die die unterschiedlichen Menschen nutzen, mit den passenden Botschaften.

Und – nicht zu vergessen – am Freitag ist für junge Kunst-Neulinge der Besuch der Messe kostenlos, da erhalten alle Schüler und Studenten freien Eintritt. Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, wie dieses Angebot angenommen wird und wie groß das Interesse an aktueller Kunst auch bei der jungen Generation ist.

Was reizt Sie denn besonders an Ihrer Aufgabe als Kunstmesse-Direktor?

Es ist die Vielseitigkeit der Aufgabe: Vom Hellseher, Diplomaten, Seelsorger, Strategen, Trüffelschwein, Team-Trainer, Testimonial, Prellbock, Erbsenzähler, Türsteher, Visionär, Kassenwart, Wunderheiler, Dekorateur, Bildhauer bis zum Kummerkasten ist alles in der Aufgabe enthalten.

Und wenn es dann beim Opening soweit ist, und sich für wenige Tage in der Messehalle die ganzen internationalen Fäden, die ganzen internationalen Lebenswege zu einem vielschichtigen und wunderschönen Bild verweben, dann ist das trotz des Stresses drum herum der schönste Moment für den Direktor.

Verraten Sie uns vorab einige der Highlights der diesjährigen Discovery Art Fair Cologne, die im April parallel zur Art Cologne startet?

Gerade eben haben wir eine Zusammenarbeit mi dem international gefeierten Jungstar der slowakischen Kunstszene Viktor Frešo beschlossen, auf dessen große, humorvolle Installation „Birth of the Niemand“ die Besucher im Eingangsbereich der Messehalle treffen werden. Für Aufsehen dürften auch die Arbeiten des Leipziger Bildhauers Rainer Jacob sorgen, der von „dreidimensionaler Streetart“ spricht, wenn es um seine im öffentlichen Raum platzierten Arbeiten, wie zum Beispiel einen nach und nach abschmelzenden Heizradiator aus Eis geht, mit denen er Betrachter zum Staunen bringt.

Wie es sich für eine Entdeckermesse gehört, werden wir auch in diesem Jahr zahlreiche Aussteller präsentieren, die erstmals auf einer Kunstmesse im Rheinland zu sehen sind. Ob bei der Bakerhouse Gallery mit Arbeiten des österreichischen Newcommers Tom Lohner, zu dessen Kunden Musikgrößen wie Alice Cooper, Maroon5 und die Foo Fighters gehören, der Galerie Diede mit einem Fokus auf die deutsche Pop-Art oder der Gallery Tableau aus Seoul zu deren Programm viele aufstrebende koreanische Künstler gehören – für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel ist etwas dabei.

Und wie immer kann ich jedem Kunstliebhaber nur raten: Besuchen Sie unsere Messe und machen sie sich selbst ein Bild!