Dr. Peter Funken, Kurator der Berliner Liste 2016, ist ein renommierter Kunstjournalist, Autor und Berater. Er studierte an der Kunsthochschule Braunschweig sowie an der RWTH Aachen Kunst- und Baugeschichte sowie Germanistik. In seiner Dissertation setzte er sich mit der Darstellung von technischen und maschinellen Prinzipien in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts auseinander. Seit 1984 lebt er in Berlin und kurartierte seitdem zahlreiche Ausstellungen, z.B.: MaschinenMenschen, Flecken in Geschichte und Gegenwart, Jetzt lächeln…, Wunderkammer und Hannah Arendt Denkraum. Derzeit kuratiert er die II mkh-Biennale in Halberstadt. Funken arbeitet als Coach, er berät Künstler in Hinblick auf Bewerbungen und bei der Textentwicklung. Ebenfalls ist er in Berlin Juror (für Kunst am Bau sowie bei Stipendien). Seit vielen Jahren hat er immer wieder publiziert in internationalen Zeitschriften wie Kunstforum International, Stadt und Grün, L’Image, Artefaktum und Artforum New York.
Seit 2013 arbeitet er beständig für die Kunstmessen Berliner Liste und die Kölner Liste. Im nachfolgenden Interview spricht Funken über seine Wahrnehmung und Einschätzung der heutigen Kunstszenen, den Kunstmarkt und die besonderen Möglichkeiten der Berliner Liste.
Welche Idee steckt dahinter, die Berliner Liste als Ort der Entdeckung und Initiativen zu positionieren und nicht nur eine Messe für zeitgenössische Kunst.
Peter Funken: Diese Messe hat in gewisser Weise einen Außenseiterstatus, und darum gibt es in Relation zu anderen Messen auch immer wieder die Möglichkeit, Personen und Dinge zu entdecken, die nicht mehr im fast schon überregulierten Kunstmarktgeschehen stattfinden. Die Berliner Liste bietet also für Experimente und für außergewöhnliche Versuche Raum … das kann auch mal ins Auge gehen, aber insgesamt werden auf dieser Messe Dinge, auch manchmal kuriose Positionen, ermöglicht, die anderswo kaum eine Stimme haben dürfen.
Sie organisieren einen Workshop mit dem Titel Marketing für Künstler. Ihrer Ansicht nach muss ein Künstler neben Kreativität auch ein gutes Geschäftsmodel besitzen, um erfolgreich zu sein. Sie sind der Kurator der Artist Section, in der sowohl etablierte Künstler als auch Neulinge ihre Werke präsentieren dürfen. Wie können diese Künstler die Messe nutzen, um Eigenwerbung und Marketing zu betreiben?
PF: Die Messe bietet den Künstlern die große Chance, sichtbar zu werden – also in einer interessierten Öffentlichkeit Profil zu gewinnen, darum geht es in einem ersten Schritt. Dann natürlich auch um Kontakte, um ein Netzwerk, das sich entwickelt, das heißt, es geht um Kommunikation über die eigene Kunst. Junge Künstler sollten genau wissen und bewusst steuern, was sie über ihre Kunst mitteilen und wie sie über sich und ihre Arbeit sprechen.
Die Berliner Liste ist auch ein Ort für erschwingliche Kunst, welches den wirtschaftlichen Veränderungen in der Region und in Europa in den letzten zehn Jahren geschuldet ist. Wie hat sich die Kunstszene während dieser Zeit der Rezession verändert und wie würden Sie diese heute beschreiben?
PF: Es ist kaum möglich diese Frage kurz zu beantworten. Was auffällt ist, dass Kunst und Künstler – genauso wie fast alle Bereiche der Gesellschaft – in Zeiten des Neo-Liberalismus gehörig unter den Druck geraten sind, ökonomisch erfolgreich zu sein. Dies tut der Kunst zum Schluss überhaupt nicht gut! Man lese zu diesem Thema die Bücher Geld frisst Kunst – Kunst frisst Geld von Markus Metz und Georg Seeßlen und Siegerkunst – Neuer Adel, teure Lust von Wolfgang Ullrich.
Ihre Doktorarbeit hatte ein interessantes Thema Die Darstellung von technischen und mechanischen Prinzipien der Kunst im 19. und 20. Jahrhundert. Wie hat sich die aktuelle Kunstszene mit allen technologischen Fortschritten und der technologischen Revolution geändert?
PF: Technische Revolution ist nichts unbedingt Neues, aber mit der Entwicklung der elektronischen Medien, mit Computern und digitaler Kommunikation sind für die Kunst neue Ausdrucksformen entstanden, die alle anderen Bereiche der Kunst ebenfalls beeinflusst haben, denn auch sie – zum Beispiel die Malerei – findet von nun an zu den Bedingungen der zuletzt entstandenen Bildmedien statt – darin liegt die wirkliche Bedeutung dieser Entwicklung, dass die unendliche Speicherkapazität der Rechner alle anderen, alten Speicher dominiert und letztlich auch ersetzen kann.
Wie verändert Kunst die Methoden der Denkweise Ihrer Ansicht nach?
PF: Das ist eine sehr persönliche Frage, wobei ich feststelle, dass die Kunst weniger Methoden der Denkweise (Reasoning) verändert, als vielmehr die Denkweisen selber, oder besser gesagt die Wahrnehmung (Perception) und die Wahrnehmung der Denkweisen…
Welche Vorteile hat die Vielfalt von so vielen internationalen Ausstellern auf der Messe?
PF: Die Diversität ist Ausdruck der Möglichkeit, sich zumindest im Bereich der Gestaltung auf eine ganz individuelle und persönliche Weise selber zu begegnen und öffentlich mitzuteilen…
Die Berliner Liste zeigt Werke zu einem erschwinglichen Preis. Wer sind die Käufer, zu wem spricht die Messe am lautesten?
PF: Zu allen jenen, die Kunst besitzen möchten, aber nicht unbedingt auf die Faszination großer, bereits durchgesetzter Namen reagieren wollen oder können, das heißt, eine Messe wie die Berliner Liste, ermöglicht die Entdeckung von Kunst, die im Preislimit von zirka 10.000 Euro stattfindet.
Können Sie uns etwas über den Auswahlprozess für die Artist Section erzählen? Welchem kuratorischen Ansatz folgen Sie?
PF: Letztlich geht es immer darum, Kunst mit Niveau auszustellen.