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Experimentelle Wege zur künstlerischen Entfaltung – Ein Interview mit Rolf Sellmann

Betrachtet man dessen künstlerisches Potenzial, kann man Rolf Sellmann als einen experimentellen Künstler beschreiben. Seine Kunst beschränkt sich jedoch nicht notwendigerweise auf ein einzelnes Medium, sondern reicht von der Malerei über Skulptur bis hin zu Installation. Sein Werk entwickelt dabei klar definierte konzeptionelle Ideen, welche alle in höchstem Maße politisch sind. Sie beziehen sich entweder auf die private Vergangenheit des Künstlers oder auf aktuelle Entwicklungen der Welt, während sie zugleich einen neuartigen künstlerischen Ansatz in einem weit gefächerten Themenfeld aufweisen.

Rolf Sellmanns erstmalige Teilnahme an der KÖLNER LISTE ist zugleich seine erste Teilnahme an einer Kunstmesse in diesem Jahr. In einer Unterhaltung mit diesem höchst produktiven Künstler konnten wir mehr über seine Ideen und den Umfang seines Schaffens erfahren.

Der Ausgangspunkt seiner experimentellen Praxis

Herr Sellmann, Sie haben kein Kunststudium absolviert. Wie hat Ihre künstlerische Karriere denn begonnen?
Ich habe in den Neunzigern als Autodidakt angefangen. Ich war immer schon kunstinteressiert und zu dieser Zeit begann ich mich mehr und mehr dafür zu interessieren, mich selbst auszudrücken. Also fing ich an mit Acryl-Farbe zu malen und experimentierte mit verschiedenen ungewöhnlichen Materialien, um Skulpturen daraus herzustellen. Ich denke Kunst war immer schon ein Teil von mir, aber ich brauchte eine lange Zeit, um mich selbst auszudrücken.

In Ihren Arbeiten sind viele konzeptionelle Einflüsse zu erkennen. Welche Künstler und Kunstbewegungen sind die größte Inspiration für Ihre Arbeit? Welche Personen aus der Kunstgeschichte bewundern Sie am meisten?

Anfänglich war ich von unterschiedlichsten Richtungen beeinflusst. Einen großen Einfluss auf meine Entwicklung hatte der konzeptionelle und politische Künstler Klaus Staeck. Aber auch die Künstler der Gruppe „ZERO“ und die Maler der Romantik spielten für mein darauffolgendes künstlerisches Schaffen eine einflussreiche Rolle.

Ihre Kunst ist sehr divers und reicht von Malerei über Skulpturen bis hin zu Objekten. Woher beziehen Sie Ihre Inspiration?
Mir geht es darum verschiedene Wege zu finden, mich selbst auf eine künstlerische Art und Weise auszudrücken. Ich würde mich als einen Künstler beschreiben, der sich insbesondere für einen experimentellen Weg interessiert.

Wie bereits angesprochen malen Sie nicht nur, Sie arbeiten auch mit verschiedenen konzeptionellen Ausdrucksformen. Welche Techniken benutzen Sie am liebsten? Wie wichtig ist es Ihnen, aufgefundene Objekte in Ihre Arbeit einzubeziehen?
Meine letzten Bilder sind mit Acryl oder einer gemischten Technik entstanden. Für die von mir geschaffenen Skulpturen benutze ich Materialien, die mir während des Schaffensprozesses in unterschiedlichsten Lebenssituationen unterkommen (zum Beispiel Fahrkarten aus dem öffentlichen Nahverkehr oder Sicherheitsnadeln). Es ist mir wichtig diese Dinge mit anderen Augen zu sehen: als Material aus dem man Kunst macht. Das Material das erste Mal auf diese Weise zu betrachten ist mitunter der Ursprung für die Idee einer Skulptur.

Das Politische in Rolf Sellmanns Kunst

Eines Ihrer eindrücklichsten Werke bezog sich eng auf die Vergangenheit Deines Vaters und dessen Verbindung zum Nationalsozialismus. Im Nachkriegsdeutschland entwickelte sich dieses Thema zu einer Art Tabu. Welchen Schwierigkeiten mussten Sie als Künstler begegnen, als Sie sich dieser Fragestellung gewidmet haben?
Tatsächlich war diese Arbeit der bis heute wohl aufreibendste Prozess meines Schaffens. Ich hatte schon immer einen Bezug zu historischen und politischen Themen. Doch die Konfrontation meiner Kunst mit den Fotos aus der Nazivergangenheit meines Vaters war ein außergewöhnlicher Moment in meinem Leben. Dies ermöglichte mir eine Art Debatte zwischen meinem Vater und mir, obwohl er zum Zeitpunkt der Ausstellung bereits über 15 Jahre verstorben war. Ich hatte dann während der Ausstellung Probleme mit einigen Alt- und Neo-Nazis – es gab Drohmails, aber das interessierte mich nicht.

Ermöglichte Ihnen diese Arbeit eine Art Reinigungsprozess?
Diese Serie hat meine Vorstellung für neue Projekte in einem politischen Feld maßgeblich erweitert. Ich denke, dass es als Künstler mein Recht und zugleich meine Pflicht ist, auch meine politischen Ansichten auszudrücken.

Viele Ihrer Projekte haben einen starken politischen Unterton: von „Home Again“ bis hin zu „No Exit / No Existence“, welches die globale Flüchtlingskrise thematisiert. Wie wichtig ist das politische Element in der Kunst heute? Ist es überhaupt möglich, es zu ignorieren?
Mir ist es enorm wichtig, in meiner Kunst auch politisch zu sein. Als Menschen müssen wir politisch sein.

rolf sellmann

Rolf Sellmann – The Wave – from This is (not) a landscape series, 2014

Ausdruck in der konzeptionellen Malerei

Es ist interessant zu beobachten, dass Ihre Malerei eine kunstgeschichtliche und kunsttheoretische Grundlage aufweist. Wie experimentell ist Ihre malerische Arbeit?
Wie ich bereits angemerkt habe, auch wenn sich meine Kunst vielleicht hier und dort auf andere künstlerische Bewegungen und Theorien bezieht, am wichtigsten ist mir in meiner Arbeit der experimentelle Prozess.

Sie werden auf der KÖLNER LISTE eine Reihe mit dem Titel „This is (not) a landscape“ präsentieren. Können Sie uns mehr darüber erzählen, wie Sie darin das Wesen des Landschaftsbildes erforschen?
Die Reihe “This is (not) a landscape” ist eine Reaktion auf meine aktuelle Sehnsucht nach Natur und Leere. In meinen Augen werden wir heute tagtäglich mit Eindrücken aus Fernsehen, Internet, usw. überflutet. Manchmal ist es notwendig, Geist und Gehirn vom Durcheinander um uns herum zu befreien. Diese Gemälde sind das Ergebnis dieses Reinigungsprozesses. Sie zeigen zugleich nichts und alles was mir wichtig ist.

Freunde der Landschafts- und Konzeptmalerei können die aktuellsten nachdenklichen Werke Rolf Sellmanns auf der nächsten KÖLNER LISTE im April 2017 betrachten.