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Interview mit dem Berliner Liste Aussteller Edvardas Racevicius · Zwischen Ostlichen und Westlichen Tradition

Edvardas Racevičius, der 1974 in Litauen geboren wurde, war lange Zeit von der traditionellen Ikonendarstellung Litauens fasziniert. Diese Darstellungen konnte er bei seinem Besuch eines Priesterseminars und während des Studiums der Theologie und Sozialpädagogik an der Pädagogischen Universität Vilnius weiter studieren. Inzwischen lebt er seit 14 Jahren in Deutschland und hat sich viel mit der westlichen Bildhauerkunst auseinandergesetzt. Seine Werke scheinen oft eine Brücke zwischen Ost und West zu bilden. Das Material seiner Wahl ist Holz und das bearbeitet er auf seine ganz eigentümliche Weise. Der Sockel scheint direkt mit der Figur verwachsen zu sein und das Holz bleibt als Material stets sichtbar. Mal mit der Kettensäge eher brachial oder kontrolliert mit der Hand, bearbeitet Racevicius seine Skulpturen und beschäftigt sich mit dem philosophischen Verhältnis von Mensch und Natur. Im nachfolgenden Interview sprechen wir mit dem Künstler über sein deutsch-litauisches Verhältnis, seine künstlerischen Themen und seine mehrmalige Teilname an der Berliner Liste.

Wie kam es dazu, dass Sie sich als junger Künstler für ein Leben in Greifswald entschieden haben und nicht etwa in eine der bekannten Metropolen gezogen sind?

Edvardas Racevicius: Ich wohne seit 2002 mit meiner Familie in Greifswald. Der Grund warum wir hierher gezogen sind liegt bei meiner Frau. Als sie ihr Studium abgeschlossen hat, sind wir hier geblieben, weil uns das Leben in der kleinen Universitätsstadt gefallen hat. Die Landschaft ähnelt der in Litauen und die Menschen sind nett. Das sind gute Bedingungen für einen Ort, um dort zu arbeiten.

Ihre künstlerische Praxis scheint immer wieder inspiriert von Austausch zwischen ihrem Litauischen Ursprung und Ihrer neuen Heimat in Deutschland zu sein. Wie sehen Sie diese Beziehung?

ER: Meine ersten Skulpturen waren von der alten litauischen Volksskulptur inspiriert. Mich hat die einfache Formensprache und der Geist den diese Skulpturen ausstrahlen fasziniert. In dieser Richtung habe ich 10 Jahre in Litauen gearbeitet. Später in Deutschland habe ich dann beobachtet, dass Künstler hier anderes mit Holz umgehen. Die Künstler nutzen hier andere Werkzeuge, benutzen Farbe, arbeiten konzeptuell. Ich habe schließlich angefangen zu experimentieren, erst mit abstrakten Skulpturen, später mit figurativen. Es kann sein, dass man aber den Geist der alten Litauischen Skulpturen teilweise noch in meinen aktuellen Arbeiten erkennen kann.

Ihrer Biographie ist zu entnehmen, dass Sie erst das Priesterseminar besucht haben und sich dann für die Kunst entschieden. Wie kam diese Entscheidung und überschneiden sich diese beiden unterschiedlichen Welten in Ihren Arbeiten?

ER: Nach dem Abitur bin ich in ein Priesterseminar eingetreten. Das war für viele Leute aus meinem Umfeld eine Überraschung. Nach zehn Jahren auf einem Kunstgymnasium wäre der logische Weg eigentlich direkt auf die Kunstakademie zu gehen. Aber ich habe gedacht: Kunst ist zu wenig, ich wollte Priester werden und die Welt verbessern. Als junger Mensch habe ich den Sinn in meinem Leben gesucht. Nach drei Jahren habe ich das Priesterseminar verlassen.

Als Bildhauer haben Sie sich für die Arbeit mit Holz entschieden, das kunsthistorisch eine lange Tradition hat. Was reizt Sie an dem Material?

ER: Mit 17 Jahren habe ich meine erste Holzskulptur gemacht, aus Eichenholz mit der Axt bei dem Bildhauer Vilius Orvydas. Das war ein tolles Erlebnis, es war völlig anders als mit Ton, Gips oder Stein zu arbeiten. Das Holz hat mich sofort verzaubert. Später habe ich weiter viel mit Holz gearbeitet.

In Ihren Werken spielt der Mensch, in einigen Werken löst sich die Figur ins Abstrakte auf, eine wesentliche Rolle. Insbesondere ihre sehr bekannte Serie Bäume und Menschen fällt dabei auf. Welche Themen interessieren Sie bei der Darstellung von Menschen?

ER: In der Serie „Menschen und Bäume“ sind die Figuren aus einem Stück Holz gearbeitet und stehen oft in Verbindung mit den übrig gelassenen Ästen oder den gespaltenen abstrakten Formen. Für mich ist es sehr wichtig das Holz als Material zu zeigen. Ich binde natürliche Holzelemente mit der menschlichen Figur. Der Abstraktionsgrad der Figur wird auch auf die Äste, Holzteile mit Rinde, aufgerissenen Holzmaserung übertragen wodurch interessante Effekte entstehen. Grob gesagt, mein Thema ist: wo hört Holz auf und wo fängt der Mensch an. Wo ist die Grenze zwischen dem „ich“ und der Welt. Mich beschäftigt die Frage: wer bin ich? Sie ist zu meinem Leitthema geworden.

Sie sind ein treuer Teilnehmer der BERLINER LISTE. Was bedeutet für Sie die Messeteilnahme und was macht die Messe für Sie so besonders?

ER: Ich habe 2013 zum ersten Mal meine Skulpturen auf der Berliner Liste gezeigt. Das war damals ein sehr großer Erfolg für mich. Viele Besucher haben meine Skulpturen bewundert und ich konnte erste Kontakte mit Galerien und Kunstsammlern knüpfen. Es war eine neue Erfahrung für mich meine Arbeiten vor einem so großen Publikum zu präsentieren und zu merken wie meine Kunst auf Menschen wirkt. Es war eine sehr ermutigende Erfahrung.

Können Sie aus Ihrer Erfahrung eine Entwicklung der Messe beschreiben?

ER: Ich habe zwar bereits drei Mal an der Berliner Liste teilgenommen, aber das ist dennoch zu kurz um über eine Entwicklung sprechen zu können. Ich mag bei der Berliner Liste, dass diese Kunstmesse sehr offen und gut besucht ist.Dort können noch unbekannte Künstler ihre Werke einem kunstinteressierten Publikum zeigen. Ich denke, dass Kunst mit Inhalt, die auch professionell gearbeitet ist dort Erfolg haben wird.

An welchen Themen oder Figuren arbeiten Sie derzeit? Werden Sie etwas daraus auf die Messe mitnehmen?

ER: Ich bin noch auf der Suche nach meinem „ich“ und versuche weiter mit Holz zu experimentieren und zu spielen. In diesem Jahr habe ich angefangen an Reliefs aus alten Holzbrettern zu arbeiten. In Berlin werde ich vermutlich einige davon zeigen.

Welche Veranstaltungen oder Ausstellungen haben Sie in diesem Jahr noch geplant?

ER: Abgesehen von der Berliner Liste werden meine Skulpturen von Galerien auch auf anderen Kunstmessen gezeigt. z.B. auf der Art the Hague, Scope Miami, YIA Young international Art Fair Paris.

Was möchten Sie in Ihren künstlerischen Arbeiten noch erreichen? Gibt es Dimensionen oder Materialien mit denen Sie experimentieren möchten?

ER: Ich habe Lust weiter zu experimentieren und neue Möglichkeiten zu entdecken, vielleicht auch neue Konzepte zu entwickeln. Außerdem will ich weiter mit Holz arbeiten, weil es mir wirklich sehr viel Freude bereitet.