News

Interview mit dem BERLINER LISTE Fotografie Kuratoren Stefan Maria Rother · Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

Die Photography-Section wird im vierten Jahr in Folge erneut Kunstliebhaber und Fachleute im architektonisch bedeutsamen Kraftwerk Gebäude vereinen. Unser Kurator Stefan Maria Rother hat ein feinsinniges Gespür dafür Talente der zeitgenössischen Fotografie zu entdecken. Sein theoretisches und praktisches Wissen aus seiner eigenen Arbeit als Autor, Dozent und Fotograf nutzt er dafür, um klug und feinsinnig Werke auszuwählen, die sich einer simplen Kategorisierung verweigern. Seine persönliche Beurteilung bei der Auswahl changiert dabei zwischen Empathie und Objektivität, Eigenschaften, die gerade bei der Street Photography und Porträtfotografie wesentlich sind. Er interessiert sich für Werke mit tiefgründigen und intellektuellen Botschaften, die vermeintliche kulturelle Grenzen überwinden und die eine Allgemeingültigkeit inne haben. Die technische Komplexität der Fotografien ist erstmal nur zweitrangig, wesentlich für unseren Kurator ist stattdessen, ein unverstelltes, wesentliches Gespür für Visuelles, das mehr als Worte aussagt. Rother begeistern Arbeiten, die entweder bekannte Themen oder Unbekanntes betrachten, dabei aber eine frische, ungewöhnliche Perspektive zeigen. Kurz: Er sucht in Fotografien eine klare Sprache und eine unmittelbare Emotionale Verbundenheit.

Sie haben die Gabe in Straßen einer Großstadt einzigartige Charaktere zu finden. Verwenden Sie dass gleiche Gespür, um für die Berliner Liste die passenden Aussteller für die Photography Section zu finden?

Stefan Maria Rother: Vielen Dank. Der Ansatz könnte ähnlich sein und manchmal ist er es auch.
Auf der Straße ist er aber weniger wertend, als bei den Ausstellern der Photography Section. Auf der Suche nach Ausstellern und Fotografen ist es mir und der Berliner Liste wichtig, Werke von hoher Qualität zu finden.

Es gibt eine gewisse Gefühlsebene in Ihren Fotos. Wie wichtig ist der emotionale Wert der Fotografie?

SMR: Für mich ist die Fotografie das Medium der Kunst, mit dem höchsten emotionalen Wert. Sicher: Musik hat auch dieses Potenzial. Aber wenn jemand – aus sagen wir mal Japan -ein Foto von seinem neugeborenes Baby jemandem in Kanada zeigt, gibt es sofort eine Verbindung.

Sie sind der Programm-Manager der Medienabteilung der SET – School of Entertainment und Technology. Auf welche Weise fördert dies ihr Gespür?

SMR: Sie sind wirklich gut informiert – vielen Dank für Ihr Interesse an meinen verschiedenen Arbeitsfeldern. Ich ermutige meine Schüler sich für viele verschiedene Dinge zu interessieren und sich nicht nur der technischen Faszination hinzugeben. Ich glaube auch, es ist großartig sich außerhalb des eigenen Feldes umzusehen: Wenn man fotografiert sollte man sich auch Maler anschauen.
Alles rund um das Licht ist schon da. Man sollte sich auch sorgfältig mit Musik auseinandersetzen. Wenn man etwas über die Empfindlichkeit in der Fotografie lernen möchte kann man es durch die Musik finden.

Seit Ihrem ersten Buch Berlin Art No. 1, gab es schon sechs weitere. Es scheint als würde Ihnen Berlin und die Menschen der Stadt als ständige Inspiration dienen. Ziehen Sie die gleiche Energie aus den Berliner Liste Besuchern?

SMR: Ja. Berlin ist eine sich ständig verändernde Stadt und so sind auch die Leute. Ich bin glücklich bei der Berliner Liste zu sein. Sie spiegelt dieses Kaleidoskopeiner der, im Augenblick aufregendsten Städte.

Welches sind Ihre Ziele für die Photography Section in diesem Jahr? Welche Herausforderungen haben Sie zu meistern?

SMR: Die Kurator Herausforderung ist ein bisschen wie meine eigene Fotografie. Sie können zwar wählen, aber es hängt davon ab was vor der Linse erscheint oder eben wer sich bei der Berliner Liste bewirbt. Je vielfältiger die „Photography Section“ ist, desto besser ist es für die Besucher. Die Berliner Liste ist die Messe, die ihre Besucher und Aussteller immer wieder überrascht.

Die Berliner Liste ist offen für neue Kunst und neue Aussteller. Das Konzept ist vielfältig und unkompliziert. Was sind die Vorteile dieser Offenheit für neue Kunst?

Wir bekommen auf der Berliner Liste einfach Künstler und Positionen zu sehen, die nicht vorher vom Kunstmarkt gefiltert wurden. Das allein ist keine Garantie, aber ich halte es wie folgt aus: kein Risiko, kein Spaß.

Die Fotografie reagiert äußerst schnell auf technologische und soziale Veränderungen. Wie wirken sich die technologischen Fortschritte auf die Qualität eines guten Fotos aus?

SMR: Auf der einen Seite bin ich damit einverstanden, und dann bin ich auch anderer Meinung: Wenn Sie keine Empathie für das, was Sie fotografieren aufweisen, könnte Ihr Foto technisch perfekt sein, aber es wird keine Empathie beim Betrachter erzeugen. Technische Fortschritte sind kein Ersatz für Emotionen. Nur weil es möglich ist, bedeutet nicht, dass es großartig ist.

Als Dozent, Autor, Sammler und Künstler haben Sie die Erfahrung das Außergewöhnliche vom Durchschnitt zu trennen. Ist es wichtig Kunst als gut oder schlecht zu betiteln, oder ist es nur eine Frage des persönlichen Geschmacks?

SMR: Natürlich ist es zunächst eine persönliche kritische Beurteilung – und ja, Ich liebe es eine zu haben, wenn es um Kunst geht. Habe ich recht, oder muss ich recht haben? Kunst spricht ständig zu mir und versucht mir etwas zu sagen. Auch wenn es „schlechte“ Kunst ist, es könnte mir bei etwas anderem helfen. Und dann ist das gut. Meistens schaue ich mir Kunst an die ich nicht verstehe, die mich aber irgendwie einfängt. Leute sagen mir oft: „Ich verstehe Kunst nicht–worum geht es hier?“
Ich antworte ihnen: „Ich verstehe keine Nachrichten. Also habe ich lieber die Kunst.“

Die Photography-Section verdient sich immer mehr Sympathie der Besucher und Aussteller. Welche ist Ihre geheime Methode um das zu erreichen?

SMR: Es gibt etwas, das Menschen wegen der Fotografie lieben. Jeder kann es machen! Malerei erfordert eine Leinwand, Farben und mindestens einen Pinsel.
Fotografie ist immer und überall möglich. Nehmen Sie nur heute Ihr Mobiltelefon. Es gibt also bereits eine Nähe zu dem Medium. Dann gibt es noch eine Wertschätzung von Fotografien, die uns Welten zeigen die wir uns nie gedacht hätten.

Auf welchen Bereich auf der Berliner Liste sollten Besucher noch ein Augenmerk legen, außer natürlich auf die Photography Section?

SMR: Seien Sie Ihr eigener Kurator! Haben Sie Spaß durch die Gänge zu gehen und wählen Sie Ihre Lieblingsarbeiten. Erschaffen Sie Ihr eigenes Museum in Ihrer Fantasie und fühlen Sie den Herzschlag, wenn Sie dieses besondere Kunstwerk mit nach Hause nehmen. Sprechen Sie mit anderen Besuchern und sprechen Sie mit den Künstlern. Die Kunst hat mich immer gerettet – jedes Kunstwerk spricht zu Ihnen und jeder Künstler spricht durch seine Werke. Das ergibt eine unvergessliche und spezielle Energie. Ich weiß, es klingt komisch, aber Kunst ist geduldig und jeder braucht manchmal etwas Geduld für die Kunst. Es hilft auch Ihnen.