Worin liegt der Schwerpunkt bei deiner Zusammenarbeit mit Künstlern und Kreativen?
Sie darin zu unterstützen, ihrem inneren roten Faden zu folgen, dem kreativen Kern, der sie einmal in diesen Beruf hineingeführt hat und der häufig durch die Notwendigkeit, die Außenwelt auf sich aufmerksam machen zu müssen, ganz schön erschüttert wird. Von da aus aufbauend geht es darum, dass die drei Persönlichkeitsanteile eines Künstlers alle auf ihre Kosten kommen: die Privatperson, die kreative Person und die – wie ich sie nenne – „dritte Person“, die alle Situationen meistern muss, die nicht klar den beiden anderen Anteilen zuzuordnen sind (wie z.B. eine Kunstmesse).
Du selbst bist Künstlerin und Psychologin. Inwieweit erleichtert es deine Arbeit, beide Perspektiven einnehmen zu können?
Es erleichtert sie nicht nur, ich halte es für die Voraussetzung. Man sollte psychologisch fundiert ausgebildet sein, wenn man Menschen durch sensible Phasen ihres Lebens begleitet und die Lebensrealität der Menschen, mit denen man arbeitet, sehr gut kennen. Ich habe als Künstlerin erlebt, wie es ist, von Menschen geführt zu werden, die das rein intuitiv tun und – auch mit den besten Absichten – manchmal eher das Gegenteil von dem erreichen, was alle anstreben. Aktuell erlebe ich gerade wieder, wie ein Regisseur vollkommen ratlos vor dem von ihm engagierten und hoch geschätzten Schauspieler steht und mit ansehen muss, wie der seinerseits in den Proben immer hilfloser und schlechter wird. Der Regisseur ist selbst kreativ und unter erheblichem Druck – den meisten fehlt da die notwendige Distanz zum Geschehen. Psychologisch geschulten Beratern hingegen fehlt in der Arbeit mit Künstlern oft der Zugang zum kreativen Metier mit seinen „besonderen Gesetzen“. Ich bin so vertraut mit den Krisen und Anforderungen kreativer Arbeit und des Lebens mit diesem Beruf, dass mich so schnell nichts schockiert. Ich halte ein hohes Gefühlsaufkommen und heftige Selbstzweifel für ganz normale Charakteristika kreativer Persönlichkeiten und verspüre kein Bedürfnis, das „heilen“ zu wollen – im Gegenteil.
Wie können Aussteller der KÖLNER LISTE von der Teilnahme am Seminar im Rahmen der Messe konkret profitieren?
Sie sollten mit einer Strategie hinausgehen, wie sie das, was ihnen schwer fällt, besser anpacken und durchhalten können. In der Regel betrifft das alle Tätigkeiten, die mit dem Thema „Selbstmarketing“ zu tun haben. Besser angehen heißt: nicht gegen die eigene Person, sondern im Einklang mit ihr. Herausfinden, welche Art der Lebens- und Karrieregestaltung mir am meisten liegt, mich mit bestimmten Kniffen überlisten, wenn der innere Kritiker verhindert, dass ich sinnvolle Dinge für mich tue. Mich auch gegen vermeintlich gute Ratschläge wenden. Ich erlebe immer wieder, dass Künstlern erzählt wird, was sie sollten und müssten. Das versuchen sie brav (und hassen es) und sehen dann jemanden, der einfach tut, was er selbst für richtig hält und hören: „Genau das haben wir gemeint! So musst Du es machen!“ Jeder Kreative ist der eigentliche Experte für sich selbst. Mit dieser Haltung sollten sie gestärkt für ihre persönlichen „To Dos“ aus dem Seminar gehen.
Dein neues Buch „Kompass für Künstler – ein persönlicher Wegbegleiter für Kreative“ verspricht moralische und praktische Unterstützung für Alltag und Berufsleben. An wen richtet sich das Buch und wer sonst sollte es auch noch lesen?
Es richtet sich an alle Menschen, die etwas vorhaben. An diejenigen von ihnen, die noch zögern. Weil der Berg so groß erscheint. Weil sie nicht so richtig an sich glauben können. Weil andere das Projekt lächerlich finden. Aber auch an diejenigen, die voller Elan sind. Die Realisierung einer Idee ist über lange Strecken ein einsames Unterfangen und muss es wohl auch sein. Ein Buch kann dabei ein angenehmer Begleiter sein, von dem man sich aussuchen kann, wann man ihn hinzu zieht und wann nicht.
Wie entstand die Idee zum Buch?
Der Anstoß kam von den Künstlern selbst, die mein erstes Buch gelesen haben, das sich zwar mit den psychologischen Aspekten eines Künstlerlebens befasst, aber keine praktischen Lösungsansätze beinhaltet. Ich wurde häufiger darauf angesprochen, dass es ein Bedürfnis danach gebe. Aber viele Jahre hatte ich noch einen inneren Widerstand dagegen, schwarz auf weiß etwas nieder zuschreiben, das individuell mit jeder Künstlerpersönlichkeit erarbeitet werden sollte. Nach fünf Jahren habe ich dann einen Sinn darin gesehen, weil einige meiner Konzepte für Viele sinnvolle Ansätze liefern und so ist es dann ein „Kompass“ geworden – eine Hilfe, sich selbst zu orten. Wohin es danach geht und auf welchem Weg, bleibt weiterhin eine ganz persönliche Sache.
Du plädierst für eine Neubewertung von Kultur und Kreativität und beschreibst den „The Artists’ Way of Life“ als Lebensform der Zukunft. Was können wir von Künstlern für die Welt von morgen lernen?
Phantasie, Kreativität, Flexibilität, Humor, Disziplin, Teamgeist, den Blick nach innen zu richten, Eigeninitiative, materielle Bescheidenheit und ideellen Größenwahn, Fitness – geistig, seelisch, körperlich, Frustrations- und Ambiguitätstoleranz (= das Gegenteil von Schwarz-Weiß-Denken), Selbsteinschätzung und lebenslang lernwillig zu bleiben. Diese 15 wichtigen Schlüsselkompetenzen für den Umgang mit unserer Welt nenne ich den „Artists‘ Way of Life“. Wir sind heute mehr denn je gefragt, unsere Biografien selbst zu gestalten anstelle davon, vorgelebten zu folgen. Solche Freiräume füllen zu müssen, setzt immer auch Ängste frei. Wir sollten uns danach umschauen, wer sich in einem solchen Klima wie ein Fisch im Wasser fühlt und davon lernen. In kreativen Kreisen wird man da sicher fündig.