Heikedine Günther ist eine deutsche Malerin, die in der Schweiz lebt und arbeitet. Sie ist die Gründerin des Projekts Artem-Reich, ein Projekt, das sich der Förderung noch unbekannter, aufstrebender Schweizer KünstlerInnen verschrieben hat. In unserem Interview mit Heikedine Günther und ihrer Künstlerkollegin Blance Blatt, die ebenfalls dem Projekt Artem-Reich angehört, sprachen wir über ihre Pläne für die Berliner Liste 2016, ihren künstlerischen Hintergrund und ihre Interessen in Bezug auf zeitgenössische Kunst. Heikedine widmet ihre künstlerische Arbeit ausschließlich der Malerei. In ihrer bekanntesten Serie, die den Namen Seeds trägt, beschäftigt sie sich mit elementaren menschlichen Themen, wie der Seele, Fruchtbarkeit, Tiefgründigkeit und der Entstehung der Elemente und nähert sich diesen durch die Form von Samen, als deren Symbole an. Blance Blatt lässt sich von alltäglichen Begebenheiten inspirieren und arbeitet dabei mit eher ungewöhnlichen, nicht-künstlerischen Materialien, wie Tischdecken, Kleidung und Handtüchern.
Die ewige Suche nach dem idealen Samen • Ein Interview mit Heikedine Günther
Liebe Heikedine, erzähle uns erst einmal etwas über deine Kunst und das Projekt Artem-Reich.
Heikedine Günther: Zu Beginn meiner Karriere in den 1980ger Jahren, war ich beeindruckt der Arbeiten von Joseph Beuys und auch wenn sich meine berufliche Laufbahn seit 2002 auch auf anderen Gebieten bewegt, so bin ich doch der Malerei immer treu geblieben. Dem Malen von Samen habe ich mich 2004 verschrieben, seitdem bin ich auf der immerwährenden Suche nach dem ultimativen, idealen Samen. Für mich symbolisiert der Samen Zellkern, die Zelle, den Ursprung des Lebens; die Quintessenz der Dinge, die ursprünglichen Elemente des Lebens. Ich arbeite mit Ölfarbe, die ich mit Malbutter vermische, um die Eigenschaft des Materials zu erhalten und um mir ein maximales Experimentieren zu ermöglichen, um so für mich persönlich die beste Art des Malens zu finden. Das Projekt Artem-Reich wurde gegründet, um in der Lage zu sein, bisher unbekannte Schweizer Künstler im Ausland zu präsentieren. Es hatte damals einen ganz praktischen Grund, ich war auf der Suche nach Galerieräumen für Künstler.
Deine Gemälde beinhalten einfache geometrische Formen, gepaart mit komplementären und kontrastierenden Farben. Gibt es einen berühmten Maler oder eine Kunstbewegung, die dich besonders beeinflusst hat?
HG: Auch wenn dies in meinen Bildern nicht zu sehen ist, so hat mich die Begegnung mit Joseph Beuys, als ich 16 war, tief berührt. Seine konsequente Art eine soziale Skulptur zu entwickeln, die von Humanismus geleitet ist, war immer ein Leitfanden in meiner Karriere. Da ich mich in den letzten 15 Jahren sehr für mittelalterliche Bilderhandschriften interessiere, hat natürlich auch dieser Bereich der Kunstgeschichte meine Arbeiten beeinflusst. Auch auf die Gefahr hin etwas prätentiös zu klingen muss ich sagen, dass mich die Farben, die Kontraste der Farben und die weichen und transparenten Farbtöne der Motive in mittelalterlichen Buchmalereien, sowie die Verwendung der Pigmente, schon immer sehr beeindruckt haben. Die symbolische Sprache der Farben dort fasziniert mich.
Du wirst an unserer Berliner Liste 2016 im September dieses Jahres teilnehmen. Wird dies dein Debüt bei einer Kunstmesse sein? Wenn nicht, was sind deine bisherigen Erfahrungen, in Bezug auf Ausstellungen und Kunstmessen?
HG: Ich habe eine Vielzahl an Kunstmessen weltweit besucht und auch auf vielen selbst ausgestellt (allerdings keine zeitgenössische Kunst, das ist eigentlich nicht meine Kunst) – Tefaf, Frieze, ARCO, Art Basel, Art Basel Miami Beach, Armory New York et cetera. Diese Erfahrungen haben meinen Blick für Kunst aus allen Epochen und verschiedenen Standpunkten geschärft. Aber dies ist die erste Messe, auf der ich meine eigenen Arbeiten präsentieren werde und ich bin ehrlich gesagt etwas aufgeregt. Es ist das erste Mal, dass ich meine eigene Kunst verteidigen muss. Das ist viel schwieriger, als über mittelalterliche Bilderhandschriften und frühen Buchdruck zu sprechen, weil sie ein Teil von mir und meiner persönlichen Entwicklung sind und somit geben sie der Öffentlichkeit etwas von mir preis.
Du bist ursprünglich aus der Schweiz, hast dich aber entschieden, deine Kunst hier in Deutschland zu präsentieren. Gibt es spezifische Unterschiede zwischen der zeitgenössische Kunstszene in Deutschland und in der Schweiz?
HG: Tatsächlich bin ich gebürtige Deutsche, aber vor ein paar Jahren in die Schweiz gezogen. Ich habe mich entschlossen meine Werke zum ersten Mal in Deutschland, genauer in Berlin – einem der wichtigsten Orte für zeitgenössische Kunst in Europa – zu zeigen, weil ich mir ernstzunehmendes Feedback für meine Arbeit wünsche. Ich möchte mit einem seriösen und ernstzunehmenden Kunstpublikum in Kontakt treten, das auch an jungen und daher unbekannteren Positionen interessiert ist. Auch wenn die Schweiz die weltweit bekannteste Kunstmesse, sowie viele Museen und Orte für zeitgenössische Kunst beherbergt, so habe ich doch immer den Eindruck, dass die zeitgenössische Kunstszene in Deutschland internationaler und offener ist und mehr Raum zum Experimentieren lässt.
Welche Erwartungen und Pläne hast du für die Berliner Liste 2016? Wird es auch darum gehen Künstler oder Galerien für eine Zusammenarbeit zu finden?
HG: Da es meine erste Teilnahme als Künstlerin an einer Messe für zeitgenössische Kunst ist, bin ich vornehmlich daran interessiert, die Szene, den Markt und die Beteiligten kennenzulernen. Ich möchte mit Galerien und Künstler in Kontakt treten und Idee austauschen. Ich freue mich darauf, mit Sammlern und Kuratoren zu sprechen und von ihnen Feedback zu erhalten und ich suche die Herausforderung beim Austausch von Ideen mit der Öffentlichkeit. Natürlich ich bin auch daran interessiert, deutsche und internationale Galerien zu finden, die daran interessiert wären, meine Arbeiten auszustellen. Es geht mir darum, mein internationales Netzwerk erweitern!
Bist du, abgesehen von der Malerei, an anderen bildenden Künsten interessiert? Besuchst du häufig lokale oder internationale Galerien und Museen?
HG: Ja absolut. Mein Leben hat sich eigentlich seit ich denken kann immer um die Kunst gedreht, ich brauche sie, wie die Luft zum atmen, ich brauche die Herausforderung und das Wissen, welches die Kunst beinhaltet. Durch meinen neuen Tätigkeitsbereich rund um mittelalterliche Bilderhandschriften ist es mir vergönnt die Welt zu bereisen und ich liebe es in New York, Sydney, Paris, London, Madrid, Hamburg, Berlin, Zürich, neue und alte Museen und Galerien zu entdecken. Eines meiner Lieblingsmuseen ist das Metropolitan und ich liebe den Louvre. Dort ist es möglich in die Grundpfeiler der zeitgenössischen Kunst einzutauchen, es gibt dort Kunstwerke zu sehen, die zeitgenössische Künstlern auf der ganzen Welt beeinflusst haben. Museen und Galerien sind die besten Orte, um sich Inspiration zu holen und Wissen anzusammeln, sie sind die Säulen der kulturellen Bildung. Dies, kombiniert mit Reisen, ist die wichtigste Quelle der Inspiration und Bildung für einen jeden Künstler.
Das Sammeln einzigartiger Stoffe • Interview mit Blance Blatt
Blance, deine Kunstwerke sind eine interessante Kombination von anthropomorphen Figuren und geometrischen Formen mit starken Konturen. Du verwendest auch keine üblichen weißen Leinwände für deine Kunst. Wir würden gerne mehr über deinen Arbeitsprozess und deine Inspirationsquellen erfahren.
Blance Blatt: Ich erhalte meine Inspirationen aus dem täglichen Leben. Es gibt Serien, die sich auf bestimmte Themen konzentrieren, wie „Mondman“, die auf antike Jutesäcke gemalt sind (diese zeigen immer noch ihre ursprüngliche Funktion und Geschichte), aber auch auf Tischdecken, Kleidung, Handtücher, so wie es in dem Moment passend erscheint. Die Farben die ich verwende sind natürliche Pigmente, die, vermischt mit Tapetenkleister, auf den Stoff aufgetragen werden, eine Technik die von Paul Klee verwendet wurde. Mit der Zeit entstanden so unzählige Gemälde auf Stoff, die ich in Kisten und Koffern aufbewahre. Jedes Bild wird direkt in einen eigens dafür ausgewählten antiken, oder zumindest gebrauchten Rahmen gespannt, ohne es zuvor auf einem Keilrahmen zu befestigen.
Du wirst im Herbst an unserer Berliner Liste 2016 teilnehmen. Hast du vorher schon bei Kunstmessen ausgestellt und wenn ja, wie waren deine Erfahrungen?
BB: Ich habe an zahlreichen Ausstellungen in Galerien und Ausstellungsräumen teilgenommen, aber dies ist meine erste Messe für zeitgenössische Kunst.
Was sind deine Pläne und Erwartungen in Bezug auf die Berliner Liste 2016? Worauf freust du dich am meisten?
BB: Um ehrlich zu sein habe ich keine Erwartungen. Aber ich freue mich darauf, mich mit Menschen über meine Arbeiten auszutauschen und Feedback von der Öffentlichkeit zu bekommen. Natürlich wäre es schön, die eine oder andere Arbeit in eine private Sammlung gehen zu sehen und den Kontext zu ändern.
Du kommst aus der Schweiz, einem Land, das viele Kunstkenner und Sammler beheimatet. Aber wie sieht es denn eigentlich mit Schweizer KünstlerInnen aus? Gibt es viele junge, aufstrebende KünstlerInnen in deinem Heimatland? Und hast du Kontakt zu ihnen?
BB: Ehrlich gesagt kenne ich kaum lebende Schweizer Künstler, aber den Ausstellungen die ich besuche nach zu urteilen, scheint es viele zu geben. Aber dadurch dass ich auf dem Land lebe und arbeite, bin ich etwas separiert von dieser Szene.
Bist du schon einmal in Berlin gewesen und wann hast du zum ersten Mal von der Berliner Liste gehört?
BB: Ich kenne Berlin ganz gut. Nach der Wende, zwischen 1992-93, habe ich in Berlin Wartenau gelebt. Es war eine unvergessliche Zeit. Der Geruch von Braunkohle, Bohnerwachs und Politur in den öffentlichen Gebäuden ist nach wie vor tief in meiner Erinnerung verankert. Ich habe an einem Tag gleich zwei Mal von unterschiedlichen Leuten von der Berliner Liste gehört, dem Galeristen Mehdi Chouakri und dem Künstler Zoyt, die beide in Berlin leben. Ich dachte, das sei ein Zeichen und sagte: Lasst uns nach Berlin fahren!
Beschäftigst du dich neben der Malerei mit anderen bildenden Künsten? Hast du einen Lieblingskünstler unter den zeitgenössischen Künstlern?
BB: Ich sammle antike koptisch-ägyptische Stoffe aus der 2. bis 4. Jahrhundert. Ich schreibe Gedichte, investiere viel Zeit in die Gestaltung von Gärten und sammele Kinderbücher ab dem Jahre 1945. Und ich bewundere die Arbeiten von Anselm Kiefer, Irma Blank, Lee Ufan, Qiu Shihua, William Scott und Sean Scully.